Beim Geige spielen oder üben denken wir oft: morgen mache ich es besser.
Aber eigentlich sollten wir doch denken: ich gebe heute meine ganzen Emotionen in mein Spiel. Und morgen auch! Zu schön um wahr zu sein?
Argentinischer Tango ist die perfekte Musik, um Perfektion hinten anzustellen und das Herz spielen zu lassen.
In der klassischen Musik denken wir heutzutage eigentlich immer in Perfektion. Wir kaufen CDs, die mit vielen Schnitten in ein astreines (und möglicherweise auch steriles) Ergebnis verwandelt wurden. Wir gehen ins Konzert, hören die besten Orchester und Solisten der Welt und bewundern - zu recht - deren makelloses Spiel.
Wenn wir dann unser Instrument in die Hand nehmen und es geht etwas schief, fühlen wir uns sofort schlecht. Wir spielen zum Beispiel im Orchester aus Versehen eine andere Note als geschrieben (die muss ja noch nicht mal unpassend oder unsauber sein), und sofort kommt ein schlechtes Gewissen. Das nimmt uns leicht die Motivation, und die guten Gefühle fürs Üben und Musik machen gehen verloren.
Es wäre schön, wenn nicht das "Damoklesschwert der Fehler“ über uns schweben würde.
Statt uns zu ärgern oder frustriert zu sein, sollten wir doch denken: ich gebe heute meine ganzen Emotionen in mein Spiel. Und morgen auch!
Aber wie bekommen wir diese guten Gefühle? Mit einer Musik, deren Magie uns in den Bann zieht, so daß man nicht anders kann, als sie zu lieben. Für mich ist das Tango argentino – und für dich kann es Tango werden (vielleicht ist es das ja schon?)!
🛠️ Aufgabe 1
Höre die Musik, die du spielst oder spielen willst, innerlich voraus. Verknüpfe deine Emotionen an die Vorstellung, wie die Musik klingen soll.
(Wundere dich nicht - ich schreibe in diesem Blog von "🛠️ Aufgaben". Egal, welches Instrument du spielst - nutze die Ideen und versuche, sie umzusetzen!)
Wenn wir beim Laufen unseren Weg nicht voraussehen, dann werden wir viele Probleme haben: upps, ein Loch, upps, ein Bordstein, Mist, eine Bananenschale ...
Wir wollen uns auch beim Musik machen nicht nach jedem Fehler ärgern und uns schlecht fühlen. Dabei hilft, wenn wir unser Spiel schon vorher visualisieren.
Das kann man mit vielen violintechnischen Dingen tun - geht übrigens auch hervorragend OHNE Geige!
Visualisiere zum Beispiel:
Wir können auch unsere Emotionen „voraushören“. Visualisiere jetzt deine wahre Klangvorstellung und höre voraus, wie du dir die Musik vorstellst. Lass dich von dem überraschen, was aus dir herauskommt, wenn du es mit Emotionen verknüpfst und es zulässt. Jetzt zählt das, was unser Herz sagen möchte.
Wir konzentrieren uns nun ganz auf unsere innere Vorstellung. Unser Körper ist für das Erwecken der Musik lediglich ein Medium. Unser GEIST lässt unsere musikalische Vorstellung erklingen und FÜHRT den Körper!
Weil nicht die Fehler wichtig sind, sondern die Emotion. Und die kann man mit Tango viel leichter entdecken und „ausgraben“. Die „Fehler“ können wir erst mal ignorieren. Wir müssen sie nicht durch Üben perfekt machen. Wir können sie mit Emotionen füllen. Dann wird sie niemand mehr als Fehler oder falsche Note erleben … sondern sogar als Persönlichkeit oder persönliche Note!
🛠️ Aufgabe 2
Vor jedem Üben kannst du mit einer Hand- und Fingermassage deine Hände durchlässig und geschmeidig machen. Du wirst sehen, darin steckt ein wichtiger Schlüssel, um die Wege in deinem Körper durchlässig zu machen. Die Emotionen müssen „durchgelassen werden“!
Im Tango sollst und musst du die Noten, Melodien und Begleitungen spontan und ideenreich ausgestalten.
Melodien werden im Tango oft ganz „gerade“ aufgeschrieben (z.B. in Vierteln, Achteln oder Sechzehntelnoten).
"gerade" Notation von Melodien im Tango
Wenn du diese Schreibweise in melodischen Passagen findest, bedeutet es: spiele nicht, was da steht - spiele Fraseo!
Man unterscheidet zwischen Fraseo cerrado, Fraseo abierto und Fraseo extendido.
Beim Fraseo cerrado ("geschlossenes" Fraseo - bis etwa 1945) werden die Achtelnoten in „doppelt so lange“ oder in „halbierte Notenwerte“ verändert. Man spielt dieses Fraseo rythmisch sehr genau so:
Fraseo cerrado - gespielt bis 1945
Das Fraseo abierto, das "offene Fraseo (ab 1945) wird in etwa triolisch gespielt.
Man kann den genauen Rhythmus des Fraseo abierto nur ungefähr aufschreiben. Die kurzen Töne, in dem Fall die Triolen-Achtel, werden in die Breite gedehnt. Man darf gefühlt ruhig ein wenig "zu breit" spielen. Es muss sich sehr langsam und gedehnt anfühlen...
Fraseo abierto - gespielt ab 1945
Das Fraseo extendino bestimmt Solopassagen (zum Beispiel der Violine) im Tango. Die Melodie löst sich vom Taktstrich. Man spielt ganz frei, überdehnt extrem, spielt wieder schneller (aber nie hektisch!) – ganz nach Geschmack des Musikers. Es entstehen harmonische Dissonanzen und Reibungen, die man zutiefst auskosten kann und muss.
Es gibt hier kein Notenbild, weil Fraseo extendino kann man unmöglich aufschreiben...
Im Tango argentino können wir bei Lagenwechseln den Charme des Portamento nutzen. Wir müssen es aber delikat und nicht zu oft einsetzen. Für die anderen Gestaltungsmittel muss auch noch Raum bleiben!
Lass beim Lagenwechsel deine Ohren führen. Wenn du den Zielton voraushörst, führen sie dich mit einem geschmeidigen Portameto ganz stressfrei ans richtige Ziel!
Argentinische Tangos kann - und muss - man spontan mit Verzierungen und kleinen Pralltrillern ausschmücken (da denken wir doch gleich an die Barockmusik…).
Spiele für einen Pralltriller die obere Nebennote (als Halbton oder Ganzton, je nach Harmonie). Es gibt viele verschiedene Formen von Trillern: Pralltriller, Mordent, Doppelschlag. Denke in Verzierungen und Umspielungen. Auch können Intervalle innerhalb einer Melodie mit (chromatischen) Tonleitern verbunden werden.
🛠️ Aufgabe 3
Wechsle die Triller mit den anderen Tangoelementen wie Portamento und Fraseo ab. Konzentriere dich bei deinen nächsten Übe-Sessions auf deine Fantasie. Experimentiere, probiere und hab Spaß dabei!
Entdecke die Vielfalt und hab Mut zu Dingen, die du noch nie gewagt hast. Du wirst merken, was dir gefällt, was dir in den Fingern liegt, was zur Musik passt und was nicht.
Es gibt Musik, die ist überliefert – denken wir zum Beispiel an Volksmusik. Durchs „immer weiter geben durch die Generationen“ schleicht sich zwangsläufig immer wieder mal eine kleine Veränderung hinein … genauso bei Märchen oder Anekdoten, die überliefert werden.
Dann gibt es den Jazz, der nahezu jegliche Freiheit besitzt. Da muss man gerade mal das „Thema“ kennen.
Und dann Tango – da ist eine Skizze überliefert und aufgeschrieben. Wenn man die Regeln und Gesetze kennt, dann weiß man, wie man Tango lesen muss und wie man ihn mit typischen Tango-Verzierungen ausgestalten kann und soll. Es gibt viel Platz für persönliche interpretatorische Freiheit.
Da du in der Zwischenzeit kreativ geworden bist, veränderst du dein Spiel immer weiter… Durch deine neugewonnen Skills findest Du Deine neue musikalische Persönlichkeit und entwickelst genau DEINE Sprache der Musik!
🛠️ Aufgabe 4
In „Tipp 3“ hast du darüber einiges über das Ausgestalten im Tango gelernt. Mit diesem Wissen erschaffst Du spontan neue Ideen. Verändere und entwickle deine Ideen immer weiter. Dein Spiel wird dadurch sehr lebendig. Irgendwann weißt du, wie du es am liebsten hören möchtest.
Oftmals kostet es Überwindung, sich von den Regeln der klassischen Musik zu lösen. Wir haben ja gelernt, mit Metronom ganz genau rhythmisch zu spielen. Wir haben ewig geübt, bis beim Lagenwechsel kein Rutscher mehr zu hören war. Wir haben lange gebraucht, bis unser spiccato am Schwerpunkt des Bogens geklappt hat.
Und jetzt sollen wir ganz am Frosch mehr „kratzen“ als „schön spielen“. Und bei den Lagenwechseln „herumschmieren“ - und den Taktstrich ignorieren...
Es ist ganz wichtig, sich die Unterschiede zwischen den grundlegenden Geigen-Technik-Basics und den Raffinessen der Tango-Musik bewusst zu machen.
Wage Neues, probiere aus, gehe mit deiner Geige an die Extreme!
Dann passiert Folgendes:
Danke fürs Lesen, viel Spaß mit den Ideen und bis bald!
Deine Susanne
Ich bin Susanne und helfe dir dabei, dein Geigen- und Tangospiel zu verbessern, damit du deine Lieblingsmusik so spielen kannst, wie du dir es wünschst, ohne daß du an zu viel Technik verzweifelst.
Derzeit biete ich an:
1. Im Bogentechnik-Booster-Kurs lernst du die wichtigsten Bogenstricharten und ihre technische Ausführung kennen. Du wirst nie wieder fragen, was ist der Unterschied zwischen spiccato oder sautillé, was ist arpeggio, richochet oder martelé.
2. Mit meinem Kurs Geige üben mit Plan lernst du, strukturiert zu üben. In 25-Schritten ist es ganz leicht, dran zu bleiben und WIRKLICH mit einem Stück voranzukommen.
3. Im Tango-Mini-Kurs 5 leidenschaftliche Tango-Spieltechniken entdeckst du viele Raffinessen und Spielweisen, die für argentinischen Tango typisch sind und mit denen das Tango-Geige spielen richtig Spaß macht.
4. Der Geigenkurs Lerne die Grundlagen des Violinspiels für (fast) Anfänger bringt alles auf den Punkt, was du brauchst, um die Grundlagen fürs Geige spielen wirklich zu beherrschen und zu verstehen. Geige spielen muss so natürlich sein wie irgend möglich.
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Susanne Hofmann
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