Die meisten GeigerInnen spielen von Kindesbeinen an Barockmusik von Johann Sebastian Bach, Georg Philipp Telemann oder Georg Friedrich Händel. Wir haben viel gelernt über Fugen, Verzierungen, Triller, alte Aufführungspraxis oder Generalbass. Diese spieltechnischen Elemente finden wir - man glaubt es kaum - auch in der Musik des argentinischen Tango.
Barockmusik
Der Generalbass oder basso continuo ist kennzeichnend für die Epoche der Barockmusik und bezeichnet eine durchlaufende Basslinie, auf der harmonische Füllstimmen und -akkorde improvisiert werden. Diese Basslinie ist auch das Fundament und die harmonische Grundlage für die sich darüber entwickelnde Melodie.
In der Quintfall-Sequenz wandert der Basston immer weiter eine Quinte abwärts. So kann man leicht modulieren.
Tango argentino
Ähnliche Elemente gibt es auch im argentinischen Tango. Die Harmonik im Bass ist klar festgelegt. Die akkordische Begleitung kann man dem musikalischen Zusammenhang entsprechend frei gestalten. Natürlich muss man die Regeln und Spielarten des Tango - besonders die des Rhythmus - kennen und beachten.
Die Quintfallsequenz ist auch ein wichtiger Bestandteil des Tango argentino.
Für den argentinischen Tango wichtige Elemente sind Pralltriller, Mordent und Doppelschlag. Genau wie in der Barockmusik kann man sie spontan und nach eigenen Ideen und Vorstellungen spielen. Dadurch gewinnen die verzierten Zählzeiten an Bedeutung.
Hier gibt es einen Überblick wie man folgende Verzierungen spielt:
https://www.musik-schule.eu/verzierungen/
Prallltriller werden von der Hauptnote aus mit einem kurzen Wechsel zur oberen Nebennote (Halbton oder Ganzton) ausgeführt. Im Tango kann man sie in weichen, warmen Kantilenen als melodisches Element spielen. Auch rhythmische Passagen kann man damit markanter gestalten.
Der Mordent wird wie der Pralltriller ausgeführt, allerdings mit der unteren Nebennote. Diese Verzierung wird eher in ruhigen, melodischen Tangopassagen oder Geigen-Soli genutzt.
Der Doppelschlag ist eine Verzierung von der Hauptnote zur oberen Nebennote und zurück, dann zur unteren Nebennote und wieder zurück zur Hauptnote. Wie beim Mordent findet man den Doppelschlag vor allem in Geigensoli der wunderbaren Tangos von Astor Piazzolla.
Die Haupt- oder Zielnote wird akzentuiert und steht an einer betonten Stelle im Takt. Das kann eine Hauptzählzeit sein oder auch eine Synkope. Das Arrastre mit Portamento vor der eigentlichen Zählzeit gibt dem Hauptschlag eine besondere Bedeutung. Ein Streichinstrument kann diese Vorschlagsnote mit einem Portamento ausführen. Ein Bandoneon oder Klavier muss stattdessen einen oder mehrere (chromatische) Töne spielen, um diesen Effekt zu erreichen.
In der Barockmusik wäre ein Arrastre vergleichbar mit einem Vorhalt vor einer wichtigen Zählzeit. Aber die Akzentuierungen im Tango werden meist sehr stark gespielt, was es in der Barockmusik so nicht gibt.
Barockmusik
In der Barockmusik spielt der basso continuo in einer klaren harmonischen Abfolge. Zwischen diesen Akkordsäulen gibt es oft improvisatorische Melodiegirlanden, die auch mit Rubato oder Accelerando ausgeführt werden. Nicht selten landen diese auf arpeggierten Akkorden, wodurch auch eine Art Vorhalt, Dissonanz oder Schmerzpunkt entsteht.
Denken wir an das Adagio der Sonate g-Moll BWV 1001 aus den Sonaten und Partiten für Violine solo von Johann Sebastian Bach. Wir haben Akkord-Säulen, auf denen ein Melodieton ruht. Nach zwei Taktschlägen gelangen wir zur nächsten Akkordsäule mit einem neuen Melodieton. Diese beiden Melodietöne werden mit einer musikalischen Girlande verbunden. Bach hat alles genau aufgeschrieben, doch der Hintergrund ist seine Improvisation im Moment des Komponierens. Er verbindet auf improvisatorische Weise zwei Harmoniesäulen mit einer melodischen Linie.
Tango argentino
Beim fantasievollen Ausgestalten der Melodie oder eines Solos kann man sich vom harmonischen Gerüst führen und inspirieren lassen. Improvisatorische Melodiegirlanden mit Rubato oder Accelerando sind aus der Musik des argentinischen Tango nicht wegzudenken. Bei der rhythmischen Gestaltung der melodischen Abschnitte hat man besonders im Tango nuevo viele Freiheiten, sie in die Breite zu dehnen oder zusammenzuraffen. Der Bass aber schreitet mit seiner streng rhythmischen Harmonik voran. So ergeben sich zwischen Melodie und Bass dissonante Reibungen, die man besonders beim Tango nuevo intensiv auskosten und geniessen kann. Man muss ganz genau wissen, wo sich die Basslinie gerade befindet. So kann man die Melodie rhythmisch frei gestalten und intensive harmonische "Schmerzpunkte" erleben...
Besondes im Tango nuevo finden wir in den aufgeschriebenen Noten oft eine "vereinfachte" Version, die wie eine Skizze zu lesen ist. Wenn man die Interpretation der wunderbaren Geiger Astor Piazzollas studiert, dann schmücken sie in improvisatorischer Freiheit ihren Part mit fantasievollsten Girlanden aus. Sie verbinden Harmonie-Säulen mit melodischen Tonleitern, Dreiklängen und einfallsreichen Überleitungen und Artikulationen. Erfahre gern mehr in einer kostenlosen Geigen-Schnupperstunde!
Barockmusik
Eine Fuge beginnt mit dem Thema in einer einzelnen Stimme. Nach und nach kommen weitere Stimmen hinzu und wiederholen das Thema in anderen Tonlagen. Wenn eine neue Stimme hinzukommt, gehen die anderen Stimmen ihren eigenen Weg, bis alle Stimmen "dran waren".
Johann Sebastian Bachs "Kunst der Fuge" oder "Das wohltemperierte Klavier" sind seine bedeutendsten Fugensammlungen. Auch Mozart, Beethoven oder Mendelssohn fanden Gefallen daran, Fugen zu komponieren.
Tango argentino
Astor Piazzolla liebte und verehrte die Musik Johann Sebastian Bachs und schrieb auch viele Fugen. Fugata oder Muerte del angel sind sehr berühmt. In Meisterstücken wie La Camorra I finden wir auch wichtige Fugenpassagen, die aus der Musik des argentinischen Tango nicht mehr wegzudenken sind.
Piazzolla beschäftigte sich mit Strawinski, schrieb sinfonische Werke und wollte eigentlich dem Tango den Rücken kehren.
"Astor verwies auf auf seine glückliche Begegnung mit Nadia Boulanger.
1950 beschloss Astor, mit dem Tango aufzuhören und sich der Komposition
symphonischer Werke zu widmen. So hörte er auf, in Nachtclubs (Kabaretts) zu spielen und lebte von seinen Arrangements für Tangoorchester.
Bei einem der vielen Kompositionswettbewerbe, bei denen er auftritt, gewinnt er ein Stipendium für ein Studium bei Nadia Boulanger.
Als Nadia ihn trifft, bittet sie ihn, seine eigene Musik auf dem Klavier zu spielen. Astor spielte seinen Tango TRIUNFAL, und da sagt sie: "Astor, in deiner "sinfonischen" Musik taucht Piazzolla nie auf. Aber wenn du deine Musik interpretierst, nämlich "Tango", dann erscheint der echte Piazzolla. Mit anderen Worten - Piazzolla war Tango pur, der Rest war akademisch. Also "öffnete" Nadia Astors Kopf und er beherzigte ihren weisen Rat."
Barockmusik
Die Musiker in der Barockzeit improvisierten über notierten Kürzeln. „Fantasieren“ oder „Präludieren“ auf der Orgel, das spontane Gestalten des Generalbasses, Melodieimprovisationen und Verzierungstechniken über ostinaten Bassfiguren waren ein wichtiger Teil der Musiksprache.
Tango argentino
Meine Tangoband mit argentinischen Musikern hat im Konzert oft eine Zugabe anstimmt, die ich zwar irgendwann gehört habe, die aber weder geprobt wurde noch irgend welche Noten auf dem Pult standen. Die Musiker des Fracanapa Tango Quintets sind mit dieser Musik aufgewachsen, sie kennen die auswendig, wissen alles und brillieren mit Soli und Improvisationen.
Aber dann kommt der Blick zu mir - "jetzt bist du dran mit einem Solo". Ich denke: "oh Mann, das kann ja was werden"! Mit der Generalbass-Idee in Gedanken kann man es schaffen! Wichtig ist, das harmonische Gerüst "so schnell es eben geht" zu verstehen!
Seit ich immer vertrauter mit argentinischem Tango geworden bin, habe ich verstanden, dass viele Spielweisen im Tango ähnlich sind wie in der Barockmusik. Das improvisatorische Element in Kombination mit harmonischen Säulen und Abläufen ist eine ganz wichtige Struktur. Einerseits finden wir in beiden Genres unumstössliche Gesetze, aber andrerseits eröffnen gerade diese viele Möglichkeiten für Improvisationen und Melodiegestaltung.
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Susanne Hofmann
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